Zahnmedizin in Heidelberg #11: Die neue Approbationsordnung

Myrièlle studiert Zahnmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität in HeidelbergMyrièlle ist 21 Jahre alt und hat im Oktober 2017 ihr Zahnmedizinstudium an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg begonnen. Damit startet für sie ein neuer Lebensabschnitt in einer neuen Stadt mit neuen Freunden, neuen Tagesabläufen und vielen neuen Eindrücken. In mehreren Beiträgen schildert Myrièlle ihre Erfahrungen vom neuen Leben als Zahni und beleuchtet die Besonderheiten des Studiums.


Eine Approbationsordnung aus dem Jahre 1955 ist unlängst verstaubt und benötigt dringend eine Reform? Das hat sich auch das Bundesministerium für Gesundheit gedacht und seit 2017 an einer Neuregelung der zahnmedizinischen Ausbildung im Rahmen des „Masterplans Medizin 2020“ gearbeitet – die im kommenden Wintersemester dann in Kraft treten soll. Aber was genau wird sich für die Zahnis ab 2020 alles ändern?

Dauer des Studiums

Hier wird sich im Vergleich zur alten Approbationsordnung nichts ändern – das Studium wird nach wie vor 5 Jahre und 6 Monate dauern. Nach 10 Semestern Studium folgt weiterhin das 11. Semester, in dem das Staatsexamen stattfindet, sowie die anschließende Beantragung der Zahnärztlichen Approbation.

Studiumsgliederung

Die neue Approbationsordnung sieht für das Zahnmedizinstudium einige Änderungen vor.Bisher hat sich an fünf Semester Vorklinik eine fünfsemestrige Klinik angeschlossen. Das wird jetzt anders! Wie in der Humanmedizin wird die Vorklinik, in der (zahn-)medizinisches Grundlagenwissen vermittelt werden soll, von nun an vier Semester dauern. Die anschließende Klinik – mit Augenmerk auf der praktischen Ausbildung – soll auf sechs Semester erweitert werden. Dabei sollen die ersten zwei klinischen Semester am Phantom stattfinden, mit einer darauf folgenden vier Semester langen Ausbildung am Patienten.

Staatliche Prüfungen

Ein Vorphysikum ( die „naturwissenschaftliche Vorprüfung“), welches nach zwei Semestern mittels mündlicher Prüfungen in den Fächern Physik, Chemie und Biologie abgenommen wurde, wird es nicht mehr geben. Auch in Sachen Physikum wird sich so einiges ändern:

Die Vorklinik wird nun – wie in der Humanmedizin – nach vier Semestern mit dem 1. Abschnitt der zahnärztlichen Prüfung abgeschlossen. Dabei werden in mündlichen Prüfungen die Naturwissenschaften sowie die Fächer Biochemie, Anatomie, Physiologie und zahnmedizinische Propädeutik geprüft.

Der 2. Abschnitt der zahnärztlichen Prüfung erfolgt nach frühestens sechs Semestern und wird mündlich-praktisch abgehalten. Prüfungsrelevant sind dabei sämtliche Fächer der Zahnerhaltung, die zahnärztliche Prothetik, Kieferorthopädie sowie Oralchirurgie und Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie.

Der 3. Abschnitt der zahnärztlichen Prüfung findet nach dem zehnten Semester statt und beendet das Studium der Zahnmedizin. Die größte Änderung: Medizinische Querschnittsfächer (etwa Dermatologie, Toxikologie, Pathologie, Innere Medizin…) werden schriftlich geprüft. Das ist neu, vor der Änderung der Prüfungsordnung wurde das gesamte Staatsexamen lediglich mündlich-praktisch abgenommen!

Mündlich-praktisch wird allerdings weiterhin geprüft, und zwar die rein zahnmedizinischen Fächer wie Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, zahnärztliche Radiologie oder Kieferorthopädie.

Angliederung an die Humanmedizin

Ihr werdet es schon gemerkt haben: Viele Änderungen sorgen für eine Symbiose zwischen den Fächern Zahn- und Humanmedizin. Was völlig sinnvoll ist, schließlich sollen ja ZahnÄrzte ausgebildet werden! Aus diesem Grunde wurden dem zahnmedizinischen Curriculum einige zusätzliche Praktika und Kurse hinzugefügt:

Der kommende Jahrgang muss vor dem 1. Examensabschnitt einen einmonatigen Krankenpflegedienst sowie eine Erste-Hilfe-Ausbildung nachweisen. Und um zum 2. Abschnitt der zahnärztlichen Prüfung zugelassen zu werden, muss eine vierwöchige Famulatur in einer Zahnarztpraxis absolviert werden.

Außerdem soll das wissenschaftliche Arbeiten sowie die Ausbildung in Querschnittsfächern wie etwa Schmerzmedizin oder Notfallmedizin verstärkt werden. Zusätzlich ist ein Wahlfach im dritten Studienabschnitt geplant.

Betreuungsverhältnis

Hier hier wird sich zukünftig so einiges ändern: Während das Betreuungsverhältnis in den Phantomkursen bisher bei 1:20 lag, kommen jetzt nur noch 15 Studierende auf eine Lehrkraft. In den Kursen am Patienten ändert sich das Verhältnis von 1:6 auf 1:3. In Sachen Unterstützung und Aufsicht ist also eine enorme Optimierung zu erwarten!

Eigene Meinung & Kritik 

Ich selbst erachte viele der geplanten Änderungen als absolut notwendig und sinnvoll. Wie oft hatte ich Bedenken, an einem Unfallort zugegen zu sein und nicht wirklich helfen zu können, obwohl ich als Studentin der Zahnmedizin eigentlich dazu verpflichtet bin? Wie oft wollte ich deswegen eigentlich einen Erste-Hilfe-Kurs belegen und habe es aus Zeitgründen und Bequemlichkeit dann doch nicht getan, weil ich es „als Zahni ja nicht muss“?

Zukünftig wird es nicht nur mündlich-praktische, sondern auch schriftliche Prüfungen im 3. Staatsexamen der Zahnmedizin geben.Der Punkt „Krankenpflegepraktikum für Zahnis“ hat für ordentlich Diskussionen gesorgt und auch mich in einige hitzige Debatten mit Kommilitonen verstrickt. Obwohl ich Zahnmedizin studiere, habe ich dieses Praktikum nämlich freiwillig absolviert gehabt und möchte definitiv keine der gemachten Erfahrungen missen! Klar, später als Zahnarzt wird man eher nicht im Schichtdienst arbeiten und den typischen Klinikalltag leben. Aber: In Sachen Patientenkommunikation fand ich die Wochen in der Pflege einfach nur bereichernd! Auch wenn Bettpfanne leeren, Grundpflege durchführen und Blutproben von A nach B tragen auf den ersten Blick nicht unbedingt einen guten Zahnmediziner machen: So ein Praktikum holt einen wirklich runter auf den Boden der Tatsachen, lässt erkennen, wie wichtig und was für ein Geschenk Gesundheit doch ist und dass man selbst mit Kleinigkeiten – wie einem netten Gespräch – manchmal viel bewegen kann.

Und auch wenn man es nicht so recht glauben mag: Das Thema Zahnpflege kommt im hektischen Alltag der Krankenpflege leider erschreckend oft zu kurz. Und dass, obwohl viele Patienten mit Zahnersatz stationär liegen. Und wenn wir Zahnis da einen Blick darauf haben, ist das sicher nicht verkehrt. 🙂

Das sind nur meine eigenen Gedankengänge zu den kommenden Änderungen. Ich weiß, dass auch viel Kritik an den geplanten Maßnahmen geäußert wurde:

Durch das optimierte Betreuungsverhältnis und den damit verbundenen Personalkosten wird die Ausbildung zukünftig einfach teurer. Und deswegen befürchtet der Bundesrat, dass die Anzahl der angebotenen Studienplätze reduziert werden könnte, um dem Versorgungsbedarf der angestrebten Kleingruppen gerecht zu werden.

Die zahntechnischen Studieninhalte wurden zugunsten der zahnärztlichen Propädeutik erheblich gekürzt – und auch trotz kürzerer Laborzeiten wird ja weiterhin erwartet werden, dass die Studenten auch in Sachen Zahntechnik fit sind. Ob das stressig und fordernd wird? Wahrscheinlich.

Auch die wissenschaftliche Fachgesellschaft GDI (Gender Dentistry International e.V.) sieht diesen Punkt kritisch: Sie befürchtet, dass mit einer Fokussierung auf Prävention und Zahnerhaltung sowie den angesprochenen Kürzungen des zahntechnischen Arbeitens die Eliminierung einer fundierten prothetischen Ausbildung einhergehen könnte. Und das, obwohl die Patientenversorgung mittels Zahnersatz auch in Zukunft weiterhin eine große Rolle spielen wird.

Ob diese Sorgen eintreten werden? Wir werden sehen – bedenklich sind sie in meinen Augen auch, aber spekulieren hat ja bekanntlich noch niemandem wirklich etwas genutzt. Es heißt also: Abwarten.

Dennoch bin ich der Meinung, dass die neue Approbationsordnung auch einige Chancen bietet, von denen die Studierenden nachhaltig profitieren können. In der Zahnmedizin darf man nämlich nie vergessen, dass an jedem Zahn ein ganzer Mensch hängt – und dass es daher unabdingbar ist, sich auch in den verwandten medizinischen Bereichen auszukennen. Dem wird jetzt Rechnung getragen, und das ist super. 🙂

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