Zahnmedizin in Heidelberg #9: Ich packe meinen Koffer, Teil 1

Myrièlle studiert Zahnmedizin an der Ruprecht-Karls-Universität in HeidelbergMyrièlle ist 21 Jahre alt und hat im Oktober 2017 ihr Zahnmedizinstudium an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg begonnen. Damit startet für sie ein neuer Lebensabschnitt in einer neuen Stadt mit neuen Freunden, neuen Tagesabläufen und vielen neuen Eindrücken. In mehreren Beiträgen schildert Myrièlle ihre Erfahrungen vom neuen Leben als Zahni.


Früher oder später steht für jeden Zahnmedizinstudenten die große Investition an: Der Kauf des „Zahni-Koffers“. Als naiver Ersti hatte ich gedacht, dass es sich dabei um einen kleinen kompakten Werkzeugkoffer handelt. Dass das Studium – nur bezogen auf die Materialien für die praktischen Kurse – bis zum Examen etwa 10.000 Euro kosten wird, hielt ich auch für unmöglich. Tja, ich wurde im vierten Semester dann mehrfach eines Besseren belehrt.

Damit ihr schon vorher wisst, was euch (nicht nur finanziell) erwartet und worauf ihr beim Kauf unbedingt achten müsst, habe ich euch mal eine Reihe an Tipps und Ratschlägen zusammengestellt:

Unispezifische Koffer

Die Anforderungen an den Zahni-Koffer unterscheiden sich von Uni zu Uni.Viele meiner Kommilitonen hatten sich gefreut, dass sie den Koffer älterer Geschwister – die ebenfalls Zahnmedizin studiert hatten – würden übernehmen können. Diese Freude hielt allerdings nur kurz: Jede Uni verlangt unterschiedliche Materialien und Werkzeuge für die Kurse. Gerade sehr teure Teile des Koffers, wie etwa der Artikulator (dazu später mehr) werden von der Uni genau festgelegt. Wenn ihr da mit einem „Arti“ einer anderen Marke aufkreuzt, könnt ihr auch gleich wieder nach Hause gehen. Welche Teile definitiv im Koffer sein müssen, legt eine Instrumentenliste fest, die ihr von eurer Zahnklinik erhaltet. Da steht genau drauf, was und in welchem Umfang ihr besorgen müsst. Und auch die Hersteller, die für die Materialien jeweils verlangt werden.

Außerdem: Jede Uni stellt unterschiedlich viele Instrumente zur Verfügung. Dementsprechend variieren dann auch die Anschaffungspreise. Ich habe von Studenten gehört, die für das Anschaffen des „Vorklinikkoffers“ nur ein Drittel von dem bezahlt haben, was mich der Spaß in Heidelberg gekostet hat. Also: Teuer wird es so oder so. Wie teuer genau, hängt dann aber von der Uni ab, an der ihr studiert.

Der Umfang des Zahni-Koffers

Wie bereits angedeutet, handelt es sich beim „Koffer“ nicht um einen handlichen Werkzeugkoffer, sondern um einen großen Haufen an Materialien und Instrumenten. (Es ist wirklich sehr sehr viel Zeug – ich war selbst völlig erschlagen von der Menge, weil ich darauf definitiv nicht vorbereitet war…) Aber was ist da jetzt alles drinnen?

Später in der Klinik (also ab dem 6. Semester) braucht ihr nicht mehr ganz so viele Materialien. Zahnärztliche Instrumente werden von der Zahnklinik verliehen (ihr behandelt ab dem 7. Semester eigene Patienten, aus Hygienemaßnahmen werden die Instrumente logischerweise von der Uni steril aufbereitet), Abformmaterialien etwa müsst ihr allerdings nach wie vor selbst anschaffen. (Oder die Dinge für die Endodontologie – also den Teilbereich der Zahnmedizin, der sich mit Behandlungen des Wurzelkanals behandelt. Endo soll wohl auch eine sehr teure Angelegenheit sein.)

Sehr materialreich hingegen ist die Vorklinik (also alles vor dem Physikum). Da habt ihr drei große Kurse: den ZPK (Kursus der zahnmedizinischen Propädeutik) und anschließend die Phantomkurse 1 und 2. Ihr werdet sehr viel Zeit im Labor verbringen und zahntechnische Arbeiten anfertigen – und die fressen einfach immens viel Material. Neben verschiedenen Modellierinstrumenten braucht ihr dort ein Technik-Set mit Aufsätzen (beispielsweise Fräsen und Polierer), um Gips, Metall und Kunststoffe bearbeiten zu können. Und natürlich Verbrauchsmaterialien wie Wachse, Polierpasten, Einbettmassen etc. Neben den zahntechnischen Anteilen werdet ihr viel am Phantom arbeiten: Das ist ein Oberkörper mit Kopf aus Plastik, der auf einer echten zahnmedizinischen Arbeitseinheit montiert ist. Dort könnt ihr also erste zahnmedizinische Untersuchungen und Behandlungen üben – und ab da wird es dann auch richtig teuer. Neben den Hand- und Winkelstücken (dazu später ebenfalls mehr) müssen Frasaco-Kiefer und Zähne gekauft werden – also Plastikkiefer mit Zahnfleischauflage und austauschbaren Zähnen aus Plastik. In der Grundanschaffung ist das schon teuer, aber diese Zähne sind Verbrauchsmaterialien (ihr übt an denen ja, Zähne zu beschleifen bzw. zu „präparieren“, um diese später dann mit einer Krone (oder anderweitig) zu versorgen). Dieses „Präppen“ ist feinmotorisch sehr anspruchsvoll – dementsprechend viele Übungszähne werdet ihr brauchen, glaubt mir. 🙂

Auch die Aufsätze zum Fräsen sind sehr teuer und müssen hin und wieder mal ausgetauscht werden. Darüber hinaus müsst ihr ein ganzes Set an zahnärztlichem Grundbesteck erwerben – neben Spiegeln, Sonden und Pinzetten braucht ihr außerdem Scaler und Küretten (das sind Instrumente für die professionelle Zahnreinigung). Um Abdrücke nehmen zu können, werden Abdrucklöffel gebraucht, ebenso Abformmaterialien wie Alginat und Impregum (gerade Impregum ist echt nicht günstig). Dazu kommen dann noch Materialien wie beispielsweise Luxatemp: Das ist ein lichthärtender Kunststoff, mit dem ihr Provisorien herstellen könnt. Oder Komposit für Zahnfüllungen – das kommt aber erst später im Modul Zahnerhaltung.

Was ist besonders teuer?

Der Preis ergibt sich im Grunde aus der Vielzahl der (Verbrauchs-) Materialien, die ihr benötigt. Es gibt aber ein paar Teile des Koffers, die wirklich richtig teuer sind – auf die müsst ihr im Kurs sehr gut aufpassen!

Artikulator, Bohreraufsätze und vor allem das Verbrauchsmaterial machen den größten Teil der Kosten für einen Zahni-Koffer aus.Zum einen schlägt der Artikulator ordentlich zu Buche. Das ist ein Gerät, das auf den Patienten genormt eingestellt und anschließend die Kieferbewegungen simulieren kann. Diese Gerätschaft ist nicht nur sehr komplex und kann richtig viel, sondern kostet eben auch ordentlich. Je nachdem welches Modell und welchen Hersteller die Uni verlangt, fallen schnell Kosten zwischen 1000 – 2000 Euro an. Ebenfalls sehr teuer sind die Hand- und Winkelstücke: Das sind die Geräte, die in Kombination mit Aufsätzen den Bohrer ergeben. Da braucht ihr meist drei Stück von – mit Kosten von jeweils 500 – 900 Euro. Schaut einfach, dass gerade diese Teile nicht wegkommen oder runterfallen. Runtergefallene Bohrer fangen beim Rotieren oft an zu schlenkern und müssen teuer repariert werden. Generell solltet ihr alles gut beschriften und markieren – auch wenn selten wissentlich etwas geklaut wird (ist aber wohl leider schon vorgekommen), lässt man in der Eile trotzdem auch mal etwas liegen oder borgt sich etwas bei Kommilitonen. Da ist es einfach gut, wenn sich alles problemlos wieder seinem Eigentümer zuordnen lässt. 🙂

Zum Markieren: Man kann für die Instrumente farbige Markierungsringe aus Gummi besorgen. Im Grunde lässt sich aber alles wunderbar mit Klebeband („Washi Tapes“) bekleben und beschriften.

Fortlaufende Kosten im Studium

Wie mehrfach angedeutet, bleibt es leider nicht bei den Kosten der Grundausstattung des Zahni-Koffers. Verbrauchsmaterialien müssen regelmäßig wieder nachgekauft werden; Fräsen und Polierer nutzen sich ab und müssen erneuert werden. Je nachdem welchen Kurs ihr gerade absolviert, fallen natürlich unterschiedliche hohe Kosten an. Aber so zwischen 50 – 250 Euro können es monatlich schon werden. Ihr werdet staunen, wie schnell eure Bestellungen bei Zalando, Amazon und Co. von Shoppingorgien bei Henry Schein oder Komet abgelöst werden. 😉

Lest weitere Tipps für den Zahni-Koffer im entsprechenden 2. Teil. Darin gehe ich auf die Frage ein, ob es wirklich immer neue Materialien und das neueste Werkzeug sein muss und worauf man beim Kauf von gebrauchten Zahni-Koffern achten muss. Außerdem gebe ich Anregungen, wie man diese teure Investition finanziell stemmen kann. Bis bald 🙂

Bild 1: pixabay.com

2 Replies to “Zahnmedizin in Heidelberg #9: Ich packe meinen Koffer, Teil 1”

  1. Ich studiere nicht Zahnmedizin sondern Humanmedizin, aber ich lese diese Kolumne unheimlich gern. Myrièlle schreibt so authentisch und unterhaltsam! Weiter so!!!

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