„Rückbetrachtend war die Vorklinik doch gar nicht so schlimm“, ein Spruch den man von den alten Hasen des Öfteren hört und sich sehnsüchtig an ihre Stelle wünscht. Tatsache ist, dass man mit der Zeit das Schlimme vergisst und nur noch die guten Zeiten in Erinnerung behält: die Zeit, als man seine Präp-Gruppe und alle Freunde jeden Tag in der Uni gesehen hat, die Zeit in der man gemeinsam vor einer Klausur gelitten hat und wo jede bestandene Klausur ein monumentales Ereignis war. Man vergisst, wie man vor den Anatomie-Atlanten saß und der Himmel über einem zusammenfiel, während man realisierte, wie VIEL man genau noch vor dieser Klausur lernen musste oder auch die Verzweiflung angesichts der ganzen Reaktionswege in der Biochemie, die alle irgendwie gleich aussahen, aber laut Dozenten doch grundsätzlich anders seien… Es ist nicht so, dass die Lernmasse in der Klinik weniger wird, aber die meisten von uns haben inzwischen ihre Methoden gefunden, mit denen sie den schier nicht zu bewältigenden Lernplan doch irgendwie in den Griff bekommen.
Ihr wisst – viele Wege führen nach Rom, heute präsentiere ich euch meinen!
Wir sind aus der Schulzeit gewohnt, den Großteil des Stoffes sicher zu beherrschen, die Zeit reicht auch für die kleineren Details aus und man geht mit einem guten Gefühl in die Klausur. Nicht so in der Medizin: die Zeit ist immer knapp, die Bücher zu dick und das Hirn schier wie ein Sieb. Als ich die Medi-Learn-Heftchen in der Vorklinik entdeckte (inzwischen gibt es ja auch die Endspurt-Skripte), ging es mir wie einem Durstigen, der einen Brunnen in der Wüste fand. Das, was ich mir bis dahin immer mühevoll aus Büchern herausschreiben musste, stand alles dort drin. Eselsbrücken, besonders gern gefragte Dinge und kleine Tipps und Tricks – kurzum, ich war begeistert und ignorierte die kleine Stimme, die mir ins Ohr flüsterte, dass die Heftchen doch viel zu dünn wären, im Vergleich zu den Lehrbüchern. Die Biochemie-Klausur kam und ging, am Ende bekam ich sogar eine richtig gute Note und hatte zum ersten Mal das Gefühl, wirklich einen Überblick zu haben. Nun begann ich, meine Lernstrategie gründlich umzustrukturieren und entschloss mich endgültig, das kleine Stimmchen der Sicherheit zu ignorieren, mit dem groben Überblick zu beginnen und erst dann in die Tiefe zu kämpfen. Folglich las und lernte ich zunächst den Stoff mit den Medi-Learns und danach, falls noch Zeit blieb, widmete ich mich manchen Aspekten in den Lehrbüchern. Siehe da – es klappte! Ich merkte, dass eine solide Basis und der grobe Überblick meist mehr wert waren, als Detailwissen, vor allem in mündlichen Prüfungen. Natürlich wird ein Skript nicht für eine Eins reichen, für gutes Bestehen allerdings schon. Mit diesem Wissen ging ich in die Klinik und lernte nach demselben Prinzip. Was bringt einem Detailwissen, wenn man auf einmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht? Dosierungen kann man im Ernstfall nachgucken, blöd ist allerdings, wenn man gar nicht erst auf das Krankheitsbild kommt, weil man bei den neuesten Forschungsergebnissen im Gebiet einer seltenen Krankheit hängen geblieben ist.
Natürlich verlangt dieses Lernprinzip etwas Mut ab: zu sehen, dass andere ständig mit den dicken Büchern lernen, kann schon etwas beunruhigend sein. Wir erinnern uns allerdings noch einmal an den ersten Lerntipp: die anderen sind nicht immer besser, aber sie haben eine andere Lernstrategie. Meiner Erfahrung nach, kann es sehr stressig sein mit einem dicken Buch anzufangen und dann zu merken, dass man den Stoff in der kurzen Zeit nicht bewältigen kann. Ich mache es lieber anders herum und beginne z.B. mit den BASICS von Elsevier. Habe ich dieses Buch einmal durch, kann ich mit dem dadurch gewonnenen Überblick mein Wissen mithilfe eines umfangreicheren Lehrbuchs vertiefen. Reicht die Zeit nicht, habe ich zumindest alles einmal bearbeitet und habe so bessere Chancen in der Klausur und auch im Krankenhaus von den meisten Dingen zumindest ein Grundverständnis zu besitzen.
Für welche Lernstrategie ihr euch auch immer entscheidet, wenn ihr mit eurer Strategie zufrieden seid, lasst euch nicht von den anderen beeinflussen. Letztendlich ist das für euch am besten, was euch in der Nacht in Ruhe schlafen lässt ;-).
Bilder: Gualberto107 / FreeDigitalPhotos.net
Eure Rubrik „Lerntipps“ gefällt mir super. Macht weiter so!